Jahresbericht 2015
Liebe Mitglieder des Vereins, liebe Helfer, Spender und Unterstützer!
Mit Stolz blicken wir als Vereinsmitglieder auf erfolgreiche Bemühungen und Erfolge zurück, auch 2015 die medizinische Versorgung im Süden Madagaskars zu verbessern.
Die politisch-soziale Lage im Land verbesserte sich nicht. Präsident Hery Rajaonarimampianina, seit 25.01.2014 im Amt, vermochte es mit seiner Regierung nicht, dringende soziale Probleme zu lösen. Verhaftet in Korruption und Selbstbedienungsmentalität existierte weiterhin politischer Stillstand. Einige wenige wurden reich, die Armut, besonders im Süden, wurde eher schlimmer. Die Nationalversammlung beschloss die Entlassung der Regierung und des Präsidenten, ein Veto vom (gekauften?) Obersten Gericht verhinderte dies. Gemeindewahlen im Juli 2015 waren mit nur 30% Wahlbeteiligung ein Podium, Opposition und Regierung mit legalen und illegalen Mitteln gegeneinander zu bringen. Laut Weltbank befand sich Madagaskar beim Ranking des Business Index von 189 Ländern auf Platz 163. Die Inflation lag bei 6%. Die Landeswährung Ariary wurde im März 2015 aufgrund des Handelsdefizits abgewertet. Dazu kamen wie so oft katastrophale Wetterbedingungen wie Zyklone, Überflutungen und Dürreperioden. Ein Viertel der Bevölkerung lebte in diesen Regionen. Die Vereinten Nationen stuften das Land im Human Development Report 2015 auf Platz 155 von 187 Ländern. Dort wurde festgestellt, dass die Ziele des Millenium Development Goals (MDG) 2015, Verbesserungen, besonders auf den Gebieten der Kindersterblichkeit, primärer Schulbildung und Verringerung extremer Armut, 2007 noch für möglich gehalten, nicht länger erreichbar sind. Im Welthungerindex wurde Madagaskar 2015 auf Platz 98 von 104 Ländern geführt.
Nunmehr zum 3. Mal in 5 Jahren bereisten wir im August 2015 das Land. Gemeinsam mit dem Kinderarzt und Reisebegleiter von 2013 Christian Höhnemann und verstärkt durch unseren Sohn Jakob wollten wir den Süden der Insel erkunden und 3 Kliniken besuchen.
In Fort Dauphin, einer kleinen Bergarbeiterstadt mit mehr als 40.000 Einwohnern im Südosten war unser erstes Ziel das kleine private Krankenhaus „Centre Medical de Taolagnaro“ der südafrikanischen Ärztin Jane Olivier. Innerhalb von 5 Jahren war hier aus einer Hinterhofsprechstunde ein medizinisches Zentrum mit Ambulanz, einer Apotheke und 8 Krankenhausbetten entstanden. Die hoch engagierte Ärztin baute mit Hilfe ihrer Familie und privatem Startkapital ein Zentrum für Geburtshilfe und Verbrennungsopfer auf. In für madagassische Verhältnisse atemberaubend kurzer Zeit hatte sie ihren Plan eines „Robin-Hood-Projektes“, wo die Armen umsonst behandelt werden können, indem die Reichen einen Teil der Kosten mittragen, in die Tat umgesetzt. Wir trafen auf eine rastlose, freundliche Kollegin, voller Ideen und Pläne, die Patientenversorgung zu verbessern. Uns imponierte sofort der fair und ungewohnt respektvolle Umgang mit ihren madagassischen Kollegen und mehr als 20 Mitarbeitern, die sauberen Verhältnisse und die präzisen Organisationsstrukturen. Ungewöhnlich offen wurde uns die Klinik gezeigt, ehrlich über Probleme und Erfolge diskutiert. So ist ein Labor nur räumlich vorbereitet, aber noch ohne jedes Gerät. Ein Röntgengerät als Spende einer anderen Organisation ist eingelagert, aber nicht verwendbar. Toiletten für die Besucher fehlen. Die täglichen Strom- und Wasserabschaltungen sind eine Katastrophe. Ein riesiger Wassertank auf dem Dach dient als Reserve. Aber für eine Solaranlage zur Absicherung der Energieversorgung fehlt schlicht das Geld. Obwohl die Klinik sauber gestrichen ist und mit Bildern an den Wänden einladend wirkt, Fliesen auf den Fußböden wären hygienischer und besser zu reinigen. Wir hinterließen einen Reisekoffer voller medizinischer Instrumente – Otoskope, Ophtalmoskope, Blutdruckmessgeräte – und Medikamente im Wert von mehreren tausend Euro und versprachen, mit unserem Verein die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten der Klinik zu verbessern.
Ampanihy ist eine Stadt mit ca. 30.000 Einwohnern zentral im Süden Madagaskars. Hier hatten wir Gelegenheit, das staatliche Krankenhaus mit der angeschlossenen medizinischen Grundversorgung zu besichtigen. Der einzige Arzt und Chef der Einrichtung wird unterstützt durch 1 Schwestern und 1 Hebamme. Er empfing uns sehr freundlich und berichtete, für ein Einzugsgebiet von ca. 300.000 Einwohnern seien insgesamt 3 Ärzte und 30 Schwestern angestellt. Das räumlich sehr gut angelegte Krankenhaus aber ist bis auf 3 Betten leer. Außer gelegentlichen Entbindungen gibt es hier keine Medikamente, keine Operationen, kein Röntgen, kein Labor. Die vom Staat kostenlos zu erbringende Behandlung von Malaria, AIDS, Tuberkulose ist nicht möglich. Alle Kranken werden an das ca. 100km entfernte private Krankenhaus verwiesen, wenn sie denn den Transport finanziell und gesundheitlich ermöglichen können. Bei dieser Alternative schüttelt er aber den Kopf. Einzige Hilfe gegen die Infektionskrankheiten, Dehydrierungen, Malaria, Parasiten, Genitale Infektionen, Unfälle und Verletzungen ist letztendlich nur der Kontakt zur Welthungerhilfe, die in der Stadt ein Verteilungszentrum und Lager betreibt. Wir sind nachhaltig schockiert.
In Tuléar wurden wir durch die Kollegen und die Mitarbeiter der Clinique St. Luc überaus herzlich empfangen. Die von uns seit 2001 unterstützte Klinik hat im Vergleich mit den anderen besichtigten Einrichtungen einen sehr guten Organisations- und Ausstattungsstandard. Auf Drängen und durch Finanzierung unseres Vereins wurde die Krankenbaracke für die Ärmsten komplett saniert und auch ein Sanitärtrakt für die Patienten rekonstruiert und zugänglich gemacht. Wir sind begeistert von den Veränderungen. Statt 3-Bett-Kabinen sind nun 2 Betten gestellt, statt dunkler, 30 Jahre alter Ölfarben bestechen nun saubere, helle Fliesen und Farbtöne und laden freundlich ein. Hier hat sich für Patienten und Mitarbeiter sehr viel getan.
Zustand 2013:
Zustand 2013:
Auch hier hinterließen wir einen Reisekoffer voller Medikamente und kleiner Ausrüstungsgegenstände. Auffällig waren neben den positiven materiellen Verbesserungen erhebliche Dissonanzen innerhalb der Besitzerfamilie von Dr. Noël Rakotomavo, deren Hintergründe wir nur bruchstückhaft erfahren konnten. So wurde im Verlauf der vergangen Jahre allen 3 erwachsenen Kindern die Klinikleitung übertragen und auch regelmäßig wieder entzogen. Hier spielten nicht nur religiöse Gründe eine Rolle. So konnte sich Sohn Herizo in den letzten Jahren durchaus positiv einarbeiten, was u.a. die erfolgreiche Rekonstruktion der Ambulanz und des Bettenhauses sowie auch seine Reputation beim Personal widerspiegelt. Finanzielle Entscheidungen und Personalangelegenheiten obliegen immer noch dem greisen Seniorchef und Besitzer der Klinik. Deshalb bleiben zukunftssichernde Entscheidungen aus, wird dem Personal der Klinik ungenügend Vertrauen entgegen gebracht und dieses unzureichend entlohnt. Eine stetige Personalflucht über die Jahre war die Folge. Das Ärzteteam ist überaltert, Patienten bleiben wegen organisatorischer Unzulänglichkeiten weg. Das vor Jahren gepriesene Lambarene-Prinzip – Behandlung auch für die Mittellosen – ist nicht mehr aufrecht zu erhalten. Kostenlose Behandlung für die Tuberkulose-, Malaria- und AIDS-Kranken ist privaten Krankenhäusern nicht gestattet, in öffentlichen Krankenhäusern wie Ampanihy (s.o.) klappt es gar nicht. Bei der freundschaftlich geführten Diskussion mit allen Mitarbeitern und der Familie Rakotomavo geraten wir zwischen die Fronten. Uns fällt auf, dass uns eine Vielzahl an Wahrheiten präsentiert wird und das viele Informationen bewusst verschwiegen werden. Es gibt aber auch positive Erfahrungen. Die Klinik hat einen Wäscheplatz und einen Kochplatz für die Angehörigen der Patienten eingerichtet. Ein großer Wassertank in 10m Höhe sorgt für Unabhängigkeit von der desolaten öffentlichen Versorgung. Und, nicht zu vergessen: Das medizinische Personal ist fleißig und kompetent.
Im Zuge des Wahlkampfes des neuen Präsidenten Hery R. wurden in allen Provinzhauptstädten neue Krankenhäuser aus dem Boden gestampft: Exemplarisch für alle steht in der Hauptstadt Antananarivo ein imposantes Gebäude. Nach kurzem Arbeitsbeginn sind alle medizinischen Geräte funktionslos oder fort, das angestellte Personal wiederum verschwunden und es gibt keine medizinische Behandlung mehr…
So haben wir an 4 Krankenhäusern extrem viel Licht und Schatten gesehen. Das öffentliche Gesundheitswesen ist eine fast grauenvolle Erfahrung, alles Gute kommt nur aus privaten Einrichtungen oder NGOs. Unsere Hilfe ist nicht nur willkommen, sondern führt zu erheblichen Verbesserungen. Bedingung ist eine perfekte Kommunikation mit den Kollegen vor Ort und die exakte Zuordnung notwendiger Hilfe. Das wurde uns mehrfach bestätigt und das haben wir mit Stolz wahrgenommen.
Auf unsere Bitte hin waren wir wieder an der Schule Motombe in Tuléar. Gemeinsam mit dem Präsidenten der Schulhilfsorganisation Angelo Rakotomavo, mit dem Direktor, dem Leiter der Elternvertretung und der Kassiererin des dortigen Vereins berichteten wir von den Aktionen des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Zeitz und übergaben offiziell 1.000 Euro der Schule. Wir sollten unbedingt von allen Seiten herzlich Danke sagen. Die Madagassen waren sichtlich gerührt. Nach einer Information des Schuldirektors können nicht mal die Hälfte aller 500-600 Kinder an Schultischen, sondern müssen aus Platzmangel auf dem Fußboden sitzen. Kurz entschlossen bestellten wir deshalb für das Geld noch am gleichen Tag bei einem lokalen Tischler, der sich auf Schulbänke spezialisiert hat, nach Probesitzen und Verhandlungen zunächst 20 stabile, höherwertige Schulbänke mit kombiniertem Tisch für je 4 Kinder. Damit kommt das Geld absolut zuverlässig den Kindern zu Gute, verbessert deren Bedingungen und kann nicht missbräuchlich verwendet werden. Trotz Ferien waren wir an der Schulde dann von vielen Kindern umringt, so war die Atmosphäre schnell sehr emotional.
Weitere bemerkenswerte Vereinsprojekte des Jahres:
Im Januar finanzierten wir die von Frau Dr. Anna Klöpfer organisierten einheitlichen T-Shirts mit dem Klinikslogo für die Clinique St. Luc.
Der internistische Kollege aus Zeitz, Dr. J. Federbusch, spendete ein Ultraschallgerät. Die Versteigerung des Gerätes über ebay erbringt 500 Euro willkommener Spenden. Nach der Reise hielten wir in der voll besetzten Aula der VHS Zeitz einen Vortrag über unsere Reise. Auch die Zeitzer Lokalpresse brachte einen Artikel über unseren Einsatz. Am Jahresende verkauften wir 20 selbst erstellte Madagaskar-Kalender zur Gewinnung von Spendengeldern.
Wie auf unserer Mitgliederversammlung beschlossen, wurden zum Jahresende 2015 neue Matratzen für alle Betten des rekonstruierten Krankentraktes der Clinique St. Luc bestellt und mit 2.500 Euro direkt gekauft. Völlig überraschend fand sich in Madagaskar ein Hersteller von Hotelmatratzen, so dass diese spezifisch für die Hygieneanforderungen von Krankenhausbetten optimiert werden konnten.
Am 23.10.2015 fand die jährliche Mitgliederversammlung unseres gegenwärtig 26 Mitglieder zählenden Vereins statt. Entsprechend des Statuts wurde der Vorstand neu gewählt. Vorsitzender bleibt Dr. Frank Melzer, die weiteren Vorstandsmitglieder sind Brigitte Melzer, Sebastian Melzer und Wolfgang Panther. Wichtigster Beschluss des Vereinsvorstandes: Die Hilfe wird fortgesetzt. Mit konkreten medizinischen Projekten wird diese erweitert, auch auf das Krankenhaus „Centre Medical de Taolagnaro“ in Fort Dauphin.
Wir möchten hiermit allen, die unseren Verein „Melzer-Madagaskar-Projekt e.V.“ und damit die Mitarbeiter und Patienten der Clinique St. Luc in Tuléar und des Medical Centre de Tolignara 2015 tatkräftig unterstützten, für Ihre Mitarbeit danken. Im Jahr 2015 konnten wir das höchste Spendenaufkommen seit 2011 verbuchen und damit unsere Hilfsmöglichkeiten sicherstellen. Bitte helfen Sie auch weiterhin. Wir garantieren die zuverlässige Verwendung der Spenden materieller und finanzieller Art.
Im November wurde in Madagaskar durch den deutschen Journalisten Klaus Heuer eine Broschüre über Hilfsprojekte für das Land aus dem deutschsprachigen Raum verlegt. Unser Verein wird dort umfassend vorgestellt. Der Verein hat noch einige Exemplare für Interessenten zur Verfügung.
Rippicha im Juni 2016
Heike & Frank Melzer